Wenn die Not zur Lüge wird

Neulich rief mich ein Teilnehmer an und berichtete mir, dass er immer wieder Probleme hätte, ehrlich zu bleiben. So greife er immer wieder zur Lüge, gerade in der Partnerschaft. Da dies nicht sehr förderlich für seine Partnerschaft wäre, würde er das gerne verändern, wisse aber nicht, wie. Ich stellte mir folgende drei Fragen:

Was ist eine Lüge?

Warum lügen wir?  

Und was hat das Thema Selbstbewusstsein mit Lügen zu tun?

Ich beschäftigte mich mit dem Thema Lüge und damit, wie wir besser damit umgehen können, wenn jemand uns belügt bzw. wenn wir selbst zur Lüge gegriffen haben oder greifen (wollen). 

Und ich fand interessante Antworten. 

Die treffendste Definition von Lüge, die ich fand, lautete: Eine falsche Aussage, die bewusst gemacht wird und jemanden täuschen soll. 

Aber ist eine Lüge deshalb immer gut oder schlecht?

Diese Frage führte mich zu dem Problem, warum wir lügen, und was das mit dem Thema Selbstbewusstsein zu tun hat. 

Lügen aus Angst

Ein Grund, warum wir lügen, ist, weil wir Angst haben. Wir haben beispielsweise Angst vor den Konsequenzen, z. B. vor einer Strafe. Wir hoffen, mit der Lüge der Strafe oder den Konsequenzen entgehen zu können. Wir haben also noch nicht genügend Selbstvertrauen und/oder Vertrauen (z. B. in eine höhere Macht), um zu uns und unseren Taten sowie zu den Konsequenzen zu stehen. Je nach Situation kann das, wovor wir Angst haben, eine harmlose Strafe bis hin zu einer lebensbedrohlichen Konsequenz sein. Ab wann man hier von Notlüge sprechen kann, definiert wohl jeder Mensch anders. Ist ein Mensch, der (große) Angst hat, nicht immer irgendwie in Not?

Lügen aus Scham

Ein weiterer Grund zu lügen ist die Scham. Wer sich für sich selbst oder für sein Tun schämt, hat z. B. Angst davor, sein Gesicht zu verlieren. Wir lügen also aus Scham. Die Scham hat etwas mit geringem Selbstwert zu tun. Wir halten uns selbst nicht für gut, schämen uns für uns selbst oder für eine unserer Taten, und wir lügen, weil wir befürchten, ohne die Lüge den letzten Rest Selbstwert (und damit vielleicht sogar die Liebe der anderen Person) zu verlieren. 

Lügen, um andere zu schützen

Ein dritter Grund für Lügen ist, dass wir andere nicht verletzten wollen. Wir lügen also (vermeintlich) nicht für uns selbst, sondern für andere. Wir verheimlichen Dinge, sprechen sie nicht offen an oder stellen sie so dar, dass der andere ein falsches Bild bekommt – in der Hoffnung, den anderen dadurch nicht zu verletzen. Auch Kindern gegenüber wird gern gelogen – aus dem Glauben heraus, sie damit schützen zu können. Was wir oft nicht bedenken, ist, dass die Wahrheit eines Tages ans Licht kommen kann. Dann wird unser Gegenüber nicht nur durch die Wahrheit verletzt, sondern auch durch unsere Lüge, die sein Vertrauen uns gegenüber erschüttert. Meist ist dieser Vertrauensverlust eine viele größere Verletzung als die Wahrheit selbst.  

Es gibt noch viele weitere Gründe, zu lügen. So lügen wir z. B. oft aus Höflichkeit. „Wie geht es dir”, werden wir gefragt, und wir antworten fast automatisch „gut, danke“, selbst wenn dem nicht so ist. Sicherlich keine Notlüge, dennoch eine Lüge – aber deshalb verwerflich?

Lügen aus Vorsatz

Natürlich gibt es auch Menschen, die vorsätzlich und zu ihrem eigenen Vorteil lügen. Diese Art der Lüge geht dann schon in Richtung Betrug. Aus rechtlicher und gesellschaftlicher Sicht ist das nicht akzeptabel, aus psychologischer Sicht dennoch nachvollziehbar. So fühlen sich Menschen, die betrügen, oftmals zu kurz gekommen, benachteiligt oder zurückgesetzt. Dieses Gefühl gibt ihnen selbst die Berechtigung zu ihrer Tat, rechtfertigt diese jedoch nicht (fertigt also kein Recht). 

Das Fazit

Wer als Kind gelernt hat, dass man mit Lügen durchkommt oder sogar eine Belohnung dafür erhält, wird auch im Erwachsenenalter weiterhin lügen. Aber über einige Dinge sollten wir uns immer klar sein:

  1. Wir kennen die Lüge – und unser Unterbewusstsein auch. Wir müssen also mit der Lüge leben. Ein Mensch, der lügt, weiß, wie es um seine Ehrlichkeit steht. Das mag heute noch kein Problem sein – aber wie will ich ein gutes Selbstimage und einen guten Selbstwert aufbauen, wenn diese (im wahrsten Sinne des Wortes) auf Lügen basieren?
  2. Möchtest du selbst gern mit Menschen zu tun haben, denen du nicht trauen kannst, die dich belügen? Wer lügt, muss damit leben, dass Menschen ihm nicht (mehr) vertrauen und ihn meiden. Selbst wenn wir nur „Außenstehende“ belügen, nicht aber unsere Liebsten, zeugt dies von unserem wahren Charakter. Und auch das sehen unsere Liebsten… 
  3. Wer lügt, um den Konsequenzen zu entgehen, muss mit den Konsequenzen leben: Mit der Angst, dass die Lüge doch noch ans Tageslicht kommt, mit dem Gefühl, nicht ehrlich sein zu können, mit dem Verlust, sich frei und offen zeigen zu können…

Was sollten wir also tun?

Wenn wir merken, dass wir zur Lüge neigen, dann können wir etwas tun. Wir dürfen dann an uns arbeiten, den Grund unserer Lügen entdecken und auflösen. Das schenkt uns Freiheit.

Wenn andere uns anlügen und wir damit ein Problem haben, dann können wir ebenfalls den Grund dafür aufspüren – den Grund, warum wir z. B. unehrliche Menschen „anziehen“, und welche Knöpfe durch die Unehrlichkeit anderer bei uns gedrückt werden. Wenn wir dieses emotionale Thema dann in uns lösen, bedeutet das nicht, dass wir Lügen billigen – es bedeutet, dass wir uns damit freier machen von eigenen inneren Blockaden und Mustern. 

Ich hoffe, dass dir dieser Artikel gefallen hat und er dazu beiträgt, mehr Ehrlichkeit in diese Welt zu bringen. Daher teile ihn gern mit einem Freund oder einer Freundin.

Bei Fragen schreibe mir bzw. uns gern an hallo@shp-potential.de.
Wir freuen uns auf deine Fragen. 

Mit lieben Grüßen und den besten Wünschen für Dich,

❤️-lichst

Tina